Wenn ich mir zwischen Hochschulprojekten und Freizeitaktivitäten Zeit für meine Gedanken nehme, schweifen diese häufig in die Zukunft. Dann häufen sich die Fragen in meinen Kopf, über die Welt an sich, aber auch oft über mein eigenes Leben. Wie wird mein Leben nach dem Studium, mit Arbeit, Familie, meinen Hobbys? Und wie will ich wohnen?
Tatsächlich interessiert mich die letzte Frage besonders. Aufgewachsen bin ich in der Kleinstadt, im Einfamilienhaus mit Garten. Wie so viele Student*innen lebe ich jetzt in einer WG. Bei meinem Umzug vor zwei Jahren wollte ich in der neuen Stadt nicht alleine sein, die Mietersparnis kommt natürlich auch gelegen. Wenn man an steigende Mieten und explodierende Preise für Immobilien denkt, stellt sich irgendwann nicht mehr die Frage: »Wie will ich wohnen?«, sondern eher die Frage »Wie kann ich es mir leisten zu wohnen?«. Und wenn man in diese Überlegungen auch noch die allgegenwärtige Problematik des Klimawandels mit einbezieht, kommt noch hinzu: »Wie sollte ich überhaupt wohnen?«. Festhalten kann man allemal: Wir brauchen für bezahlbaren Wohnraum und veränderte Ansprüche an Umweltfreundlichkeit neue Wohnkonzepte.
Ein Konzept, welches vermutlich schon einigen bekannt ist, ist die Tiny-House-Bewegung. Persönlich fand ich die Idee, seit sie mir vor einigen Jahren auf Instagram das erste Mal begegnet ist, sehr reizvoll. Aber rudern wir zurück. Eine kurze Definition: unter einem Tiny House (engl. für winziges Haus) versteht man in der Regel ein Häuschen mit einer Wohnfläche bis maximal 37m². Viele dieser Häuschen sind mobil, etwa direkt auff einen zugelassenen Autoanhänger aufgebaut und können so bei einem Wohnortwechsel einfach mitgenommen werden. Da erübrigt sich gleich das Kistenpacken beim Umzug. Hübsch anzusehen sind sie auch: meist mit Holz verkleidet, kleiner Veranda und bunt bemalter Fassade.
Ihren Ursprung hat das Tiny-House-Movement in den USA. Erste Varianten eines Hauses auf Rädern, das man hinter dem Auto herziehen kann, gab es schon in den 1920ern. Eine besondere Bedeutung entstand aber insbesondere im Zuge der Finanzkrise ab 2007, als etliche Amerikaner*innen aufgrund der geplatzten Immobilienblase ihre Häuser verloren und sich eine Alternative zum klassischen Einfamilienhaus überlegen mussten. Nach einiger Zeit schwappte die Bewegung über den Atlantik und fand auch in Europa zunehmend Verbreitung, wenn auch oft aus anderen Gründen als in den Vereinigten Staaten. In Westeuropa stießen die kleinen Holzhäuser auf Rädern auf einen Zeitgeist, der sehr viel Wert auf die persönliche Freiheit legt. Aber die ständig steigenden Kosten für ein Eigenheim und der Wunsch, möglichst nachhaltig und klimaneutral zu leben, spielen dabei für viele eine immense Rolle. Da haben wir den Nagel auf den Kopf getroffen. Das ist doch, wonach ich suche.
Allerdings stehen Tiny-House-Bauer*innen in Deutschland vor bürokratischen Hürden, da man für den Bau in der Regel ein eigenes Grundstück benötigt, nicht immer eine Baugenehmigung erteilt wird und gerade in den großen Städten Baugrundstücke sowieso sehr knapp sind. So gibt es zwar viele Bauwillige, aber insgesamt nur wenige Bewohner*innen »echter« Tiny Houses. Zum Glück kann man die Thematik ganz prima ausweiten, wie sich im Laufe meiner Recherche herausgestellt hat. Darum möchte ich euch nun drei Personen vorstellen, die auf ganz unterschiedliche Weise auf kleinem Raum leben.
Während der Semesterferien bin ich zu Besuch bei meinen Eltern in meiner Heimatstadt Bad Rodach in Oberfranken. Die Recherche für meinen Artikel über »Tiny Houses« ist zwar begonnen, aber einen echten Plan über mein weiteres Vorgehen habe ich nicht. Da wurde mir zugetragen, dass in einem Neubaugebiet mittlerweile ein Tiny House steht. Ohne groß nachzudenken, schaue ich spontan bei Gabi Armann vorbei und will sie um ein Gespräch bitten, in der sie mir von ihrer Motivation zum Wohnen auf kleinem Raum erzählen würde. Tatsächlich lässt sie mich sofort zur Tür hinein, zeigt mir ihr Häuschen und wir beginnen uns zu unterhalten.
Ihr Haus hat immerhin eine Wohnfläche von 50 m² und liegt umgebenvon Einfamilienhäusern am Rande der Ortschaft. Es besteht aus zwei aneinander gefügten Modulen, die auf gegossenen Fundamenten stehen und von allen Seiten zugänglich sind. Somit handelt es sich zwar nicht um ein typisches Tiny House auf Rädern, ist aber dennoch transportabel. Die beiden Module können mit einem Kran von den Fundamenten auf einen Sattelschlepper gehoben und an einen anderen Ort versetzt werden. Solche Häuser kann man mittlerweile schlüsselfertig erwerben und individuell ausbauen lassen. So werden sie dann auch geliefert.
Gabis Haus ist durch viele Fenster lichtdurchflutet und fast komplett offen: Wohnzimmer, Küche und Schlafbereich sind miteinander verbunden, nur für das Badezimmer und die Technik gibt es im hinteren Bereich des Hauses zwei abgetrennte Räume. Geheizt wird durch eine Fußbodenheizung, die über Strom betrieben wird. Dennoch, so sagt Gabi, zahlt sie heute sehr viel weniger Geld für den Strom, als es früher der Fall gewesen ist, als sie noch in einem großen Haus gelebt hat. Grund dafür sind wohl die auf dem Dach installierten Solarpaneele, die Strom für den Eigenbedarf erzeugen. Für weniger sonnenreiche Tage wird dieser in einem kleinen Modul im Technikraum zwischengespeichert.
Nach längerer Krankheit und der Trennung von ihrem Mann steckte Gabi in einer Umbruchsituation: sie wollte nicht alleine in dem großen Steinhaus leben, in dem sie viele Jahre ihres Lebens verbracht hat. Dort wären in einigen Jahren viele Renovierungen fällig gewesen. Von Tiny Houses als Wohnform hatte sie zuvor schon im Fernsehen erfahren. Auch stand in einem Nachbarort bereits ein Modulhaus, je doch mit mehr als nur zwei Modulen und somit einer deutlich größeren Wohnfläche.
»Altersgerechtes Wohnen stand für mich im Mittelpunkt.«
So wurde relativ schnell klar, dass Gabi in Zukunft in einem solchen Haus wohnen wollte. Erst wollte sie für ihr neues Zuhause ein Grundstück in ihren derzeitigen Wohnort von einem Bauern pachten, doch die Suche gestaltete sich, wie so oft, wenn es um Baugrund für ein Tiny House geht, schwierig. Zusätzlich zur Pacht hätte sie die Kosten für einen Anschluss ans Wasser- und Abwassernetz tragen müssen, auch ein Anschluss ans Stromnetz ist auf unerschlossenem Grund nicht gegeben. Stattdessen wollte sie schließlich ein Grundstück kaufen.
Nun kann Gabi auf ihrem eigenen Grundstück ihren Permakulturgarten anlegen, hat ihre eigenen vier Wände und ist im Vergleich zur Miet- oder Eigentumswohnung unabhängig von den Nachbarn drumherum. Schon während des Planungsprozesses begann sie viele Sachen aus ihrem alten Haus, die sie zum Teil jahrelang nicht mehr angefasst hatte, auszusortieren. Dort musste Platz geschafft werden, im neuen Häuschen ist ja nicht mehr so viel. Auch nach dem Umzug ist der Prozess des Ausmistens nicht abgeschlossen. Sie hat sich spezielle Fächer angelegt, in die die Dinge eingeordnet werden, die sie nicht mehr zu glauben braucht. Liegen sie dort über mehrere Monate unberührt, werden sie endgültig weitergegeben oder entsorgt.
Gabi wollte für sich einen neuen Wohnsitz schaffen, an dem sie auch bis ins Alter unabhängig und selbstbestimmt ihr Leben verbringen kann. Mit ihrem eigenen Modulhaus samt kleinen Garten ist sie dort angelangt. Nun soll das kleine Gebäude noch um eine rund herum umlaufende Holzterrasse ergänzt werden, um auch die Fläche direkt ums Haus mit in ihr Wohnkonzept einzubeziehen.
Am Tag meines Besuchs bei Tom Brünjes nimmt mich eine Freundin in ihrem Auto von Bremerhaven nach Bremen mit. Als sie mich am Europahafen rauslässt, weht mir bereits ein kräftiger Wind entgegen. Wohl das interessanteste Wetter für einen Besuch auf einem Boot. Am Steg ankommen, an dem das Boot zur Winterzeit liegt, wartet Tom bereits auf mich. »Halt dich gut fest!«, rät er mir, als ich etwas wacklig auf sein kleines Bötchen klettere. Drinnen, unter dem Tisch, erwartet uns Toms Schäferhündin, die ganzjährig mit ihm auf der »Chriro«, so der Names des Schiffes, lebt.
»Auf das weite Meer hinaus.«
Viel Platz gibt es nicht. Im oberen Bereich des Bootes ist vor allem Stauraum, unten befinden sich Küche, Wohnbereich und Schlafzimmer in einem. Dazu gibt es noch eine Toilette. Eine Dusche findet auf den knapp 9m² keinen Platz. Zum Duschen, Wäsche waschen und trocknen steht den Anwohner*innen der Marina ein Bereich im naheliegenden Gebäude zur Verfügung. Eingeklemmt zwischen der Toilettenkammer und der Schlaffläche stehen sich zwei Bänke gegenüber. Wir setzen uns und Tom bietet mir Kaffee und Kuchen an. Den heißen Kaffee nehme ich dankend an, beim Kuchen bleibe ich zunächst skeptisch. Ob mein Magen das Geschaukel auf dem Schiffchen verträgt?
Seit mittlerweile acht Jahren lebt Tom auf seinem Boot, das früher als Familienboot für Segelausflüge genutzt wurde. Geheizt wird auf dem Schiff über einen Dieselgenerator, der Wassertank reicht in der Regel für drei bis vier Tage. Der Herd mitsamt Backofen kann über eine Gasflasche betrieben werden, die auch den kleinen Kühlschrank am Laufen hält. Strom und WLAN sind in der Liegeplatzgebühr mit inbegriffen. Zwar war Tom der erste, der in Bremens Europahafen sein Boot als festen Wohnsitz wählte, aber er ist längst nicht mehr der einzige. Er erzählt mir einiges über die »Steg-WG«, eine ganz bunt gemischte Gruppe: ein Student, ein Physiotherapeut, ein Segellehrer, der eigentlich jetzt in der Karibik sein wollte. Man hält zusammen, unterstützt sich gegenseitig bei Problemen, schaut bei Stürmen nach den Booten der anderen. Was alle miteinander vereint, ist die Liebe zum Wasser.
Inzwischen meine ich, mich an den Seegang gewöhnt zu haben. Also wage ich es, ein Stück Bienenstich zu essen, während wir weiter plaudern. Auch für Tom war die Entscheidung, seinen Wohnraum zu verkleinern, ein Neuanfang. Raus aus dem eigenen Haus und einem spießbürgerlichen Umfeld, auf zur Erfüllung seines Jugendtraums. Sein Boot ist tidenabhängig, dass heißt, er muss die richtigen Gezeiten erwischen, um aus dem Hafen herauszukommen.
»Aufs weite Meer hinaus«, kann Tom mit seinem Schiff, sagt er selbst. Nichts ist ihm so wichtig wie seine Unabhängigkeit. Ganz im Gegensatz dazu bekommt er in der großen Wohnung seiner Lebensgefährtin, in der er bei Problemen mit dem Boot übernachten kann, schnell das Gefühl, dass die Steinwände ihn einengen.
Auch beruflich will er sich nicht zu stark einbinden lassen – als selbstständiger Landschaftsgärtner arbeitet er alleine. Hierarchien, egal ob im Job oder auch in einem Verein, kann er nicht leiden. Sein Motto lautet nur noch: Einkommen, um auszukommen. Warum denn mehr verdienen, als man braucht? Ein gewisse Geldreserve darf jedoch für das Boot trotzdem nicht fehlen. Regelmäßig fallen Reparaturen an, für das immerhin über 30 Jahre alte Boot sind dabei bisweilen Sonderanfertigungen notwendig. Bald muss es aus dem Wasser gehoben werden, da eine Generalsanierung ansteht.
Probleme mit Stauraum hat Tom keine, verrät er mir. Unter den Bänken, unter dem Bett, im oberen Teil des Schiffes ist genug für das Wenige, das er braucht. „Spotify hat CDs ersetzt, der E-Book-Reader die Bücher“. Das Fahrrad findet seinen Platz die meiste Zeit auf dem Steg, kann aber auch aufs Boot geladen werden, wenn es mit auf einen Segeltrip kommen soll. Seine Zeit verbringt Tom sowieso lieber draußen, unterwegs mit seinem Fahrrad und der Hündin. Extra für sie hat er einen Kinderanhänger umgebaut, auf dem sie während der Fahrt Platz nehmen kann. Auch für Gepäck bei seinen längeren Radtouren eignet sich der Anhänger.
Probleme mit Stauraum hat Tom keine, verrät er mir. Unter den Bänken, unter de m Bett, im oberen Teil des Schiffes ist genug für das Wenige, das er braucht. »Spotify hat CDs ersetzt, der E-Book-Reader die Bücher«. Das Fahrrad findet seinen Platz die meiste Zeit auf dem Steg, kann aber auch aufs Boot geladen werden, wenn es mit auf einen Segeltrip kommen soll. Seine Zeit verbringt Tom sowieso lieber draußen, unterwegs mit seinem Fahrrad und der Hündin. Extra für sie hat er einen Kinderanhänger umgebaut, auf dem sie während der Fahrt Platz nehmen kann. Auch für Gepäck bei seinen längeren Radtouren eignet sich der Anhänger.
Leider wird mir, als wir uns dem Ende des Gespräches nähern, langsam doch schlecht. Ich bin und bleibe wohl eher eine Landratte. Nach einem Gläschen Wasser klettern wir wieder aus dem Schiff heraus und schnappen frische Luft auf dem Steg. Tom zeigt noch die Boote der anderen Anwohner. Einen treffen wir sogar an, er erzählt uns kurz von den Reparaturen, die er an seinem Boot, auch mit Hilfe der anderen, in den letzten Jahren durchgeführt hat. Die »Chriro« ist das kleinste, dauerhaft bewohnte Schiff an der Marina. Umso bewundernswerter, wie sehr Tom sein Leben auf dem Boot genießt.
In meinem letzten Gespräch treffe ich Jens Fröhlke, der in der Nähe von Wildeshausen lebt. Nachdem wir ein oder zwei mal miteinander telefoniert haben, beschließen wir, dass ich auch ihn besuchen werde. In der Woche nach Ostern packe ich also mein Fahrrad ein und fahre mit dem Zug nach Wildeshausen, wo mich Jens, ebenfalls auf seinem Fahrrad, am Bahnhof abholt und wir gemeinsam zu dem Grundstück fahren, auf dem er seit vier Jahren in einem ausrangierten Bauwagen lebt.
Schon unterwegs, als wir am Flüsschen Hunte entlang radeln, kommen wir gut miteinander ins Gespräch und Jens erzählt mir erst mal aus seinem Leben. Eigentlich führte er ein, wie man vielleicht sagen würde, »ganz normales« Leben, hatte eine Familie und führte seine eigene Buchhandlung in Wildeshausen. Doch im Jahr 2015 entschied er sich zum einen radikalen Wandel: Er durchwanderte Deutschland komplett, ohne Geld, ohne konkrete Pläne, schlief unter dem freien Himmel und verließ sich auf die Gastfreundschaft der Menschen, denen er begegnete. Als die Wanderung nach einem Jahr endete, schien die Rückkehr in sein altes Leben unmöglich.
Das Leben im Bauwagen war schließlich die Alternative, die sich gerade anbot. Der Wagen stand zum Verkauf, hatte Jens von Bekannten erfahren. Allerdings musste er noch einige Monate daran basteln, bis er einziehen konnte. Zum Glück ist der Bauwagen aber gut transportierbar und konnte so zum Grundstück gebracht werden, dass ihm zur Verfügung gestellt wurde und wo der Wagen bis heute steht.
Schließlich kommen wir an besagtem Grundstück an, auf dem der Bauwagen zurzeit steht. Das insgesamt 7000m² große Grundstück liegt in einem Waldgebiet, der Wiekau. Hier gibt es eine Siedlung, in der vor allem viele Wochenendhäuser stehen. Die letzten Meter, auf denen der Weg über das Grundstück führt, müssen wir die Räder schieben. Der Regen hat den Boden aufgeweicht. Die Luft ist aber frisch und riecht gut, denn der Bauwagen ist von hohen Kiefern umgeben.
»Ich mach die Tür auf und bin draußen in der Natur.«
Der Wagen selbst ist in den buntesten Farben bemalt. Jens zeigt mir die Stiefel, die er auf seiner Wanderung trug. Sie hängen jetzt an der Außen wand und dienen als Nistkasten für Vögel. Danach gehen wir hinein. Jens bietet mir etwas zu trinken an und brüht uns einen Kräutertee. Das Wasser erhitzt er mit dem Wasserkocher. Elektrizität ist jedoch der einzige Luxus, den er sich hier gönnt. Fließendes Wasser oder eine Heizung, für die Meisten selbstverständlich, gibt es hier nicht. Der Holzofen, den Jens für uns an diesenm nasskalten Frühlingstag anheizt, schafft aber eine sehr gemütliche Atmosphäre.
Wir unterhalten uns noch mehr über seine Reise und darüber, wie sich seine Einstellung zum Leben um beinah 180° gewandelt hat. Der Druck der Gesellschaft sei einfach zu viel geworden. Stattdessen versucht er sich nun an einem komplett anderem Lebensstil, mit dem er auch andere inspirieren will. So lebt er weitestgehend ohne Geld.Die Lebensmittel, die er verwendet, stammen vor allem vom Foodsharing in Wildeshausen oder werden ihm. von Bekannten geschenkt. Kräuter sammelt und zieht er auch selbst. Ich habe am Abend zuvor Haferkekse gebacken und in einer großen Box mitgebracht. Auf mein Angebot, er könne sich, wenn er möchte, gerne mehr für später nehmen, erwidert er: »Ich nehme mir nichts.« Wir einigen uns also darauf, dass ich ihm die Kekse schenke. Auch alles andere, dass er verwendet, wäre sonst im Abfall gelandet, etwa das Holz zum Heizen .
Kochen kann Jens auf einer einzelnen Herdplatte, die über den Stromanschluss betrieben wird. Allerdings soll sich das bald ändern: zusätzlich zum langen Bauwagen, in dem er lebt, steht mittlerweile ein zweiter, kleinerer, mit auf dem Grundstück. Dieser wird zurzeit zu einem Küchenwagen umgebaut, in den ein großer Herd mit vier Platten eingebaut werden soll. So soll es möglich sein, für größere Gruppen oder gemeinsam zu kochen. Zur Fortbewegung verwendet er nur das Fahrrad. Ein Anhänger wäre praktisch, zum Transport von Wasserkanistern oder Holz. Aber dafür müsste eben irgendwo einer übrig sein, den niemand mehr will.
Später schaue ich mich auf auf dem restlichen Grundstück um. Ohne fließendes Wasser gibt es natürlich auch kein richtiges Badezimmer mit Dusche, Toilette und Waschmaschine. Eine improvisierte Dusche gibt es allerdings, bestehend aus einem Wassertank, Schlauch und einem Duschkopf. Im hinteren Teil des Grundstücks gibt es darüber hinaus eine Komposttoilette. Wäsche waschen kann man zwar auch in einer Schüssel, trotzdem ist eine Waschmaschine eines der wenigen Dinge, die Jens bisweilen vermisst. Jens erzählt mir im Laufe unseres Gespräch auch von vielen Ideen, wie er sein Leben in Zukunft führen und auch die Gegend in und um Wildeshausen nachhaltiger mitgestalten möchte, stets unter Miteinbeziehung der gesamten Gesellschaft, sodass niemand außen vor bleibt.
Doch die positiven Aspekte überwiegen für ihn. So lebt er so weit es wohl irgendwie in unserer modernen Welt möglich ist, im Einklang mit der Natur. Auch den eigenen ökologischen Fußabdruck kann er so ein Minimum reduzieren. Die Vorstellung, mit der Natur direkt vor der Tür aufzuwachen, klingt auch für mich durchaus verlockend. Seit seiner Reise waren schon des Öfteren Interessent*innen zu Besuch, die über ihn berichten oder sich von seinem Lebenswandel inspirieren lassen wollen.
Seit seiner Reise waren schon des Öfteren Interessent*innen zu Besuch, die über ihn berichten oder sich von seinem Lebenswandel inspirieren lassen wollen. Jedoch soll das Grundstück, auf dem sein mobiler Bauwagen steht, gegen Herbst diesen Jahres bebaut werden. Dementsprechend muss er ein neues Grundstück finden, auf dem er das Tiny Home abstellen kann. Dabei will er auf jeden Fall in der Nähe von Wildeshausen bleiben. Sorgen macht er sich diesbezüglich aber keine. Bisher hat sich für ihn schließlich immer noch eine Lösung gefunden.
Welche Wohnform für wen?
Die Möglichkeiten, sich ein Leben auf kleinem Raum zu machen, sind so vielfältig wie die Menschen, die ich im Laufe meiner Recherche getroffen habe. Ganz persönlich hat mir Gabis Modulhaus am besten gefallen, weil es viel Flexibilität bietet und doch einen festen Wohnsitz mit entsprechend viel Stauraum. Auch das Leben auf dem Boot klang verlockend. Die Möglichkeit, zumindest theoretisch jederzeit weiterfahren zu können und die Welt aus dem eigenen Zuhause heraus zu erkunden, ist wirklich traumhaft. Allerdings gäbe es für mich auch Vieles, was zu gewöhnungsbedürftig wäre: das stetige Auf und Ab des Wassers war schon grenzwertig, wenn dann auf offener See richtiger Seegang herrscht, dann wäre der Spaß wahrscheinlich vorbei. Aber für echte Wasserratten, die schon von Kindheit an segeln oder sich darauf einlassen wollen, könnte das eine echte Alternative sein. Der Besuch bei Jens hat mir zu guter Letzt klar gemacht, dass man beim alternativen Wohnen auf Vieles verzichten kann, aber vielleicht nicht unbedingt muss.
Bevor man ein Leben auf kleinem Raum anstrebt, sollte sich jede*r darüber Gedanken machen, was er/sie wirklich braucht, um ein zufriedenes Leben zu führen – wer nach Luxus strebt, sollte nicht in ein Tiny House ziehen. Außerdem sollte dir bewusst sein, warum du in ein Tiny House ziehen willst. Du möchtest umweltfreundlich leben? Dann könnte Gabis Modulhaus deine Lösung sein. Du möchtest möglichst mobil und unabhängig sein? Wenn du auch noch wasserfest bist, dann kannst du über ein Leben im Boot nachdenken. Auch die Frage: »Welche Gegenstände brauche ich wirklich?«, sollte eine zentrale Rolle spielen, um einkalkulieren zu können, wie viel Raum man brauchen wird. Auch, welche Annehmlichkeiten für dich wichtig sind, solltest du mit einbeziehen: brauche ich eine große Badewanne oder reicht eine Campingdusche? Kann ich gar auf eine Waschmaschine verzichten?
Am interessantesten finde ich persönlich immer noch die auf einen Autoanhänger aufgebauten Tiny Houses. Wenn sich in dieser Richtung irgendwann die Gesetzeslage ändert und der Besitz und das Abstellen eines solchen einfacher wird, dann hält mich bestimmt nichts mehr zurück. Eine richtige Lösung für mangelnden Wohnraum in der Stadt sind sie aber nicht, denn man braucht ja dennoch ein bisschen Land, um die Häuschen abzustellen. Hier ist es vielleicht am sinnvollsten, in die Höhe zu bauen. .